Kitanotstand in Gunzenhausen

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08. August 2023

„Wir brauchen dringend einen Krippenplatz für unser Kind, aber es gibt keinen!“ Diesen Notruf haben alle Stadträte im März 2023, per E-Mail von einer betroffenen Familie erhalten. Und dabei handelt sich dabei leider nicht um einen Einzelfall. Viele Eltern sind derzeit auf der Suche nach einem Betreuungsplatz für Ihr Kind. Die Chance, einen zu ergattern, sind fast aussichtslos.

Im Gespräch mit verschiedenen Einrichtungen erfuhren die Stadträtinnen Ingrid Scala (Bündnis 90 die Grünen) und Bianca Bauer (SPD), dass die Wartelisten für die Anmeldungen sehr lang sind und niemand eigentlich so genau weiß, wieviele Plätze derzeit benötigt werden.
Die Problematik liegt hier in der vor einiger Zeit geänderten rechtlichen Situation: Datenschutzrechtlich ist es nicht mehr möglich, die Listen der einzelnen Einrichtungen miteinander abzugleichen und so einen genauen, derzeitigen Bedarf festzustellen. Aber auch eine vorausschauende Bedarfsanalyse gestaltet sich schwierig. Kann man anhand von Geburtenraten einen gewissen Bedarf an zukünftig notwendigen Betreuungsplätzen schätzen, so ist es nicht möglich besondere Situationen, wie Kriege und damit verbundene Flüchtlingsströme, mit in diese Analyse mit einzukalkulieren. Was jedoch bekannt ist, dass es viele betroffene Familien gibt, die händeringend nach Betreuungsplätzen in Gunzenhausen suchen und somit der Bedarf nicht annähern gedeckt ist. Die beiden Stadträtinnen sind sich einig, dass hier nur ein zentrales Anmeldesystem zur korrekten Bedarfserhebung die Lösung sein kann und dieses schnellstmöglich eingeführt werden muss. Nur damit lässt sich eine korrekte Erhebung der tatsächlich benötigten Plätze ablesen. „Eine Einführung ist längst überfällig“, so Ingrid Scala.

Aber nicht nur die Anzahl der zur verfügung stehenden Plätze ist extrem angespannt. Hinzu kommt auch die derzeit angespannte finanzielle und nicht zuletzt auch die personelle Situation vieler Einrichtungen.

Die Kitas in Gunzenhausen und in den Ortsteilen werden allesamt von fremden Trägern, wie z.B. der Kirche, betrieben und nicht von der Stadt Gunzenhausen. Nachdem in den letzten Monaten die Kosten für Betriebs-und Gebäudeunterhalt gestiegen sind und auch die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst steigende Löhne zur Folge haben, sehen sich die Einrichtungen mit immensen finanziellen Mehrbelastungen konfrontiert. Der Stadtrat wurde in einer öffentlichen Sitzung im März durch Vertreter der Einrichtungen über dieses Situation informiert, aber auch darüber, wie Kinderbetreuungseinrichtungen allgemein finanziert werden und das diese Mittel nicht ausreichen um alle Kosten zu decken und die derzeitigen Preissteigerungen aufzufangen. Die Stadt Gunzenhausen gewährt den Kindertageseinrichtungen jährlich bereits einen freiwilligen Zuschuss von 5 v. H. des kommunalen Pflichtzuschusses. Bis zum Jahr 2015 betrug dieser noch 10%, wurde jedoch mit der Einführung des sogenannten Qualitätsbonus Plus geändert. Zwischenzeitlich wurde dieser jedoch wieder abgeschafft. Im Gegenzug dazu wurde der Basiswert erhöht und der freiwillige Zuschuss durch die Stadt wieder auf 5% reduziert. Durch ergaben sich für die Einrichtungen zunächst keine Einbußen. Durch die gestiegenen Kosten in den letzten 8 Jahren in allen Bereichen sieht die Situation heute jedoch anders aus.

Die Einrichtungen sind allesamt unterfinanziert und die Rahmenbedingungen wurden im Laufe der Jahre nicht verbessert, sie stagnieren. Elternbeiträge tragen nur marginal zur Lösung dieser Finanzierungskrise bei. Eine Anhebung der Elternbeiträge, wie es auch der Bürgermeister und die Verwaltung vorschlägt, wäre reine Makulatur. (Erläuterungen zu BayKiBiG, Bsp. Demo in Ansbach etc.).

Für die beiden Stadträtinnen ist es auch nicht nachvollziehbar, warum die Betriebskostenförderung des Bundes für Kleinkinderbetreuung nicht an die Einrichtungen weitergeleitet wird und auch die Möglichkeit einer Einsichtnahme der Jahresabschlüsse nicht war genommen wird.

Aber auch die Entwicklung der personellen Situation entwickelt sich zusehends kritisch wie in vielen anderen Branchen auch. Bis zum Jahr 2035 werden deutschlandweit insgesamt 7 Millionen Menschen in den Ruhestand gehen, ein Teil davon auch aus der Kinderbetreuung. Es fehlen Fachkräfte und freie Stellen können nicht mehr besetzt werden, was wiederum eine zeitliche Einschränkung der Kinderbetreuung zur Folge hat und damit wiederum aufgrund der derzeitigen Finanzierung durch das Bayerische Kinderbetreuungsgesetz geringere Einnahmen generiert. Öffnungszeiten müssen gekürzt und angepasst werden. Der Personalschlüssel verschlechtert sich, mehr Kinder werden von weniger Mitarbeitern betreut obwohl der Betreuungsbedarf weiter steigt. Ein Teufelskreis, den die Kommune zumindest finanziell und zeitlich begrenzt unterbrechen könnte.

Beide Stadtratsfraktionen, SPD und Bündnis 90, die Grünen befürworten deshalb die schnellstmögliche Einführung eines zentralen Anmeldesystems zur konkreten Bedarfserhebung für erforderliche Kitaplätze. Sollten diese Zahlen die zur Verfügung stehenden Plätze um eine Vielzahl übersteigen, muss über die schnelle Umsetzung weiterer Einrichtungen, gegebenenfalls unter städtischer Leitung, dringend nachgedacht werden. Die Einrichtungen müssen mit einer Anhebung des freiwilligen städtischen Zuschusses auf 10% zumindest übergangsweise und solange es die Situation erfordert, unterstützt werden und der Betriebskostenzuschuss des Bundes muss an die Einrichtungen weitergeleitet werden.
Wir können es uns nicht leisten, junge Familien aufgrund Wegzug zu verlieren und damit hier bei uns vor Ort die demographische Überalterung aktiv voran zu treiben. „Die Familien müssen hier bleiben: hier wohnen, leben und auch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen“, so SPD Fraktionsvorsitzende Bianca Bauer.

Denn die Kinder sind unsere Zukunft.

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